Mittwochsgesellschaft
Die Mittwochgesellschaft 1886 - 1960
Jede Gemeinde braucht eine Verwaltung. Ihre Aufgaben sind klar festgelegt. Der Gemeinderat sorgt für die Ausführung von Beschlüssen. Es ist aber nicht seine Aufgabe, Pläne für die Zukunft zu schmieden oder über Verbesserungen des Gemeindelebens nachzudenken. Die Gemeinde Egnach ist aber in der glücklichen Lage, dass es einzelne Bürger gibt, die sich darüber Gedanken machen. 1886 treffen sich 5 Männer und gründen die „Mittwochgesellschaft“. Weil es damals schon Konflikte mit den Männerchorproben gab, blieb nur dieser Abend frei. Daher der Name. Unter den ersten Mitgliedern sind vor allem Dorflehrer, Gemeinderäte, der Notar und interessierte Bürger. Dabei hält jeweils einer einen Vortrag, über den später diskutiert wird. Dies führt zu vielen Anregungen für Verbesserungen im öffentlichen Leben. So erreichen sie, dass der Postverkehr verbessert wird, dass die Grabmäler verschönert werden, dass Neukirch eine Strassenbeleuchtung bekommt. 1906 veranlassen sie die Gründung des Samaritervereins und befassen sich mit einer Kranken- und Unfallversicherung. 1909 erreichen sie die Gründung einer Spar- und Leihkasse - der Darlehenskasse auf dem Gristen. Auch unterstützen sie die Gründung eines Verkehrs- und Verschönerungsvereins, der 1911 ins Leben gerufen wird. Wichtig ist dem Verein aber auch die Unterstützung der Jugend; eine Volks- und eine Jugendbibliothek wird gegründet.
Ein Geschichtsbuch übers Egnach
Einen Höhepunkt soll das Jahr 1927 bringen: die evangelische Kirche feiert das 200-Jahr Jubiläum. Dafür soll eine Geschichte der Gemeinde Egnach geschrieben werden. Pfarrer Alfred Michel aus Märstetten ist ein kompetenter Historiker und soll diese Aufgabe übernehmen. Man will 800 Exemplare zu Fr. 4.70 drucken. Schon werden Gelder gesammelt, und sogar der Autor legt dafür Fr. 1'000.- bereit. Sogar Kunstdruckpapier wird für Fr. 750.- aufgekauft. Leider erscheint das Buch nicht zur Jubiläumsfeier. Aus nicht bekannten Gründen liefert Albert Michel gar nichts und schweigt. Besuche bei ihm bringen nur Ausreden. Im Jahr 1931 verlangt die Bodensee Zeitung Zins für das aufgekaufte Papier, das immer noch am Lager liegt. Man mahnt den Autor wieder einmal. Schliesslich muss das Papier liquidiert werden, und Alfred Michel stirbt.
Wenigstens existiert ein kurioser Vortrag von 1897 von ihm, der protokolliert wurde. Darin beschreibt er ausführlich, wie das Leben in der Gemeinde im Jahre 2000 ablaufen wird.
Letzte grosse Jahre des Vereins
Viel wichtige Mitarbeit leistet der Verein beim Beschluss zum Ausbau der Hauptstrasse in Neukirch, die gepflästert werden soll, weil das Dorf im aufgewirbelten Staub der Autos erstickt. Die Gründung einer Gasversorgung wird diskutiert. Viel Gezänk bringt die Standortfrage der neuen Turnhalle – auf Gristen oder im Dorf. Grossartig ist 1924 ein musikalisches Konzert, welches die faszinierten Zuhörer aus einem Radiolautsprecher hören können. Die anderen Vorträge werden ebenfalls interessanter, weil der Vortragende grosse Lichtbilder an die Wand projizieren kann.
Krisen und Krieg – der Niedergang
Die grossen Veranstaltungen der Mittwochgesellschaft lassen aber schon in den Zwanzigerjahren nach, denn auch die Schweiz wird gebeutelt von der Weltwirtschaftskrise, und kulturelle Anliegen rücken in den Hintergrund. Ab 1925 werden die Vorträge nicht mehr protokolliert, und man sitzt auch öfters nur zur Gemütlichkeit zusammen. Im zweiten Weltkrieg erlahmt die Kraft. Der Verein schaut auf 433 Referate zurück. Die Lehrer Büchi und Brugger starten 1957 eine Wiederbelebung; doch das Echo bleibt aus. Dies hat auch damit zu tun, dass der Verkehrs- und Verschönerungsverein viele Aufgaben übernommen hat. 1960 enden die Aktivitäten der Mittwochgesellschaft, und 1978 wird das Restvermögen Fr. 858.50 der Stiftung Egnach überwiesen.
Quellen
Protokolle der Mittwochgesellschaft
Gemeindearchiv Neukirch