Jean Fischer

Aus Wiki-Egnach

Jean Fischer – Sohn, Unikum, Grossmaul, ein wilder Geselle

Schon in jungen Jahren war Jean ein wilder Draufgänger und hielt sich kaum an Regeln und Vorschriften. Überall stiess er an, und man war froh, als er endlich seine Koffer packte und das Schiff nach den USA bestieg. Seine fürsorgliche Mutter packte ihm ganze Koffer voller Kleider und allem Nötigen, was er sicher brauchte. Angekommen in New York, verkaufte Jean aber den ganzen Plunder, der ihm nur lästig war, an einen Trödler. Er suchte das Abenteuer! Kreuz und quer reiste der durch die Staaten und arbeitete wenn nötig nur, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. In Detroit liess er sich nieder, mietete ein Ladenlokal mit Bar und startete als Geschäftsmann. Um seine Geschäftspartner zu beeindrucken, kaufte er sich eine Kutsche mit Pferd und liess sich von seinem schwarzen Kutscher mit weissen Handschuhen stolz durch die Stadt fahren. So erweckte er den Anschein des kreditwürdigen Geschäftspartners und kaufte kräftig ein. Durch viele geschickte Manipulationen konnte er lange verbergen, dass seine Geschäfte miserabel liefen und er einem Konkurs zusteuerte. Es bleibt ihm nur das Gefängnis oder die Flucht. So bereitete er sich vor, unterschrieb noch einmal kräftig ungedeckte Checks und verschwand plötzlich mit dem Nachtzug Richtung Ostküste. Er stand schon auf der Fahndungsliste und durfte keine Zeit verlieren. Es wurde erzählt, er habe sich ein Fass gekauft, dieses mit Lebensmitteln gefüllt und es als Fracht nach Europa aufgegeben. Auf hoher See sei er dann aus seinem unbequemen Versteck hervorgekrochen. Jedenfalls trat er 1872 als grosser, weltgewandter Mann in Neukirch auf. Er folgte seinem Vater als Traubenwirt und übernahm dessen Geschäfte.

Ein Allround Genie

Jean Fischer

Fischer junior wurde bekannt als tüchtiger Gastwirt und hervorragender Koch. Das Hotel Traube wurde zum Ziel vieler Hochzeits- und Blustfahrten und winterlichen Schlittelpartien. Regelmässig verkehrte auch die Upperclass von St.Gallen bei ihm und liess sich verwöhnen. Die Gäste genossen den Wein vom Gristenbühl und Winzelnberg. Was auf den Tisch kam, stammte aus seiner eigenen Metzgerei und Bäckerei; ja, er eröffnet sogar noch eine eigene Käserei.

Nebst all diesen Aktivitäten betrieb er noch einen Holzhandel. Seine Leidenschaft aber gehörte den Pferden; er besass geräumige Stallungen und bevorzugte feurige Pferde. Weitherum war er bekannt als Spitzenreiter und als Führer von Fuhrwerken.

Fischer häufte ein Vermögen an, war risikofreudig und besass eine ganze Reihe von Liegenschaften. Nebst seiner Traube mit grosser Scheune, Okonomiegebäuden und einem riesigen Landbesitz gehörten ihm eine ganze Anzahl Häuser rund um die Kreuzung. Als 1891 das Schloss Gristen unter dem Gejohle der betrunkenen Feuerwehr bis auf die Grundmauern abbrannte, griff Fischer schnell zu und kaufte die Brandruine mit bestehender Scheune für 12'000 Franken. Der grosse Wert lag in 1,8ha Land und 40 Aren Rebgut. Den grössten Teil verkaufte er und baute mit dem Gewinn die heutige Villa auf dem Hügel auf.

Pferde und Frauen

Waren Fischers Leidenschaft. Schnell war er als grosser Schürzenjäger landauf und –ab bekannt. Irgendwann entdeckte er die schöne Magd des Pfarrers von Neukirch, die sich aber sehr reserviert gab und sich gegen seine Annäherungsversuche wehrte. Das hielt ihn aber nicht ab, und eines Nachts überquerte er mit einer Leiter die Strasse und stellte sie vor dem Fenster der Magd auf. Stufe um Stufe kletterte er in Erwartung der Liebesfreuden hinauf. Doch es krachte, und Fischer stürzte – ritscheratsch! in die Tiefe, direkt ins Güllenloch des Pfarrhauses. Die Bretter des Deckels waren morsch und hatten sein Gewicht nicht ertragen. Keuchend, fluchend und spuckend kletterte Fischer aus der Güllensauce heraus und machte sich humpelnd davon. Oben aber am Fenster stand eine grinsende Magd und lachte sich ins Fäustchen. Zum Schaden hatte Fischer auch noch den Spott des ganzen Dorfes.

Raser in der Langgasse

Fischer als fanatischer Reiter hatte im Stall 4-5 teils gezähmte Pferde stehen. Einmal fuhr er mit seinem Zweispänner Sportwagen im Galopp nach St.Gallen und in die Langgasse hinein, dass es nur noch stob. Ein Polizist hielt ihn auf und büsste ihn mit fünf Franken für seine Raserfahrt. Fischer zückte grosszügig seine Brieftasche und hielt dem verdutzten Beamten eine Zwanzigernote hin mit dem Kommentar, er könne es behalten. Schliesslich müsse er nachher auch wieder aus der Stadt durch die Langgasse fahren…

Das Pferdegeschichten

Bei einer Zecherei in der Wirtschaft schloss Fischer die Wette ab, dass er schneller sei als ein Velorennfahrer, und beide fuhren los mit dem Ziel St.Gallen. Dort wartete Fischer auf den Velofahrer. Nicht genug, wettete er, dass er mit dem Pferd schneller sei als der Zug von Romanshorn nach Amriswil. Auch diesmal stand er grinsend am Bahnhof und erwartete die Ankunft des Zuges. Einmal überbot er all seine Tollkühnheiten und wettete, dass er mit dem Pferd vom Balkon des ersten Stockes herunterspringe. Er tat es, und das arme Pferd musste mit gebrochenen Beinen abgetan werden.

Aber auch dieser Lebemann wurde älter, und die Bankette mit den Gesellschaften aus St.Gallen liessen nach. Der Weltkrieg hatte seine Spuren auch in der Schweiz hinterlassen; die Zeiten wurden härter, und die Stickerei war im rasanten Niedergang. Fischer verkaufte fast alle Immobilien. Übrig blieben nur noch die Traube und die Scheune dahinter. Jean Fischer starb am 2. Oktober 1922 im Alter von 74 Jahren, weitum bekannt, auch durch seinen Witz und Humor. Seine Frau führte den Betrieb weiter, gab ihn aber dann in die Hände der Tochter Fanny.

Quellen:

Egon Bruderer: Das Egnach und seine Bewohner, Band 1, 1983 sowie Arboner Tagblatt