Egnach

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Luftaufnahme von Egnach, 1945

Egnach ist das jüngst gewachsene und gemessen an den Einwohnern grösste Dorf im Norden der Gemeinde. Hier treffen sich die Landstrassen von Neukirch und Arbon und führen nach Romanshorn.

Geschichte

Die Mühle am Bach

Maschinenfabrik Gebr. Herzog, um 1910

Eine erste Volkszählung von 1634 erwähnt den Namen „Egnen müli“ mit neun Einwohnern. Diese Mühle wird 1528 erwähnt und stand bei der heutigen Brücke über den Wilerbach. Um diesen zu überqueren musste man den Steilhang hinunterkraxeln und am andern Ufer wieder hinauf, was für Ross und Wagen unmöglich war. Deshalb waren die Maultiere noch lange unentbehrlich für den Warentransport. Die „Egnenmüli“ wurde im 19. Jh. von zwei Wasserrädern angetrieben. Als Wasserspeicher diente ein grosser Weiher, wo heute die Station Neukirch steht. Der Flurname „Entenwinkel“ erinnert noch daran. Zum Mühlengebäude gehörte eine Scheune, ein Speicher, eine Haferdörre und eine Sägerei. 1887 kaufte ein Ferdinand Herzog die Mühle und baute sie zu einer mechanischen Schlosserei um. Die Wasserräder trieben nun die grossen Schmiedehämmer an. 1903 bauten die beiden Söhne die Anlage zu einem Kraftwerk um und produzierten erstmals Gleichstrom, womit sie das Dorf Neukirch belieferten. Das war eine Sensation. Später belieferten sie zusätzlich die Mosterei in Egnach. Der Niedergang setzte ein mit dem Bau der Bodensee-Toggenburg Bahn. Der Weiher wurde aufgefüllt und darauf ein Bahnhof gebaut. So war in Trockenzeiten zuwenig Wasser zu Verfügung. 1917 gaben die Herzogs auf, weil auch die NOK billigeren Strom lieferte. Danach produzierten die Brüder Granaten für Deutschland. Heute erinnert nichts mehr an diesen grossen Betrieb; an seiner Stelle stehen 13 Reiheneinfamilienhäuser.

Ausser der wasserbetriebenen Anlage am Bach bestand der Weiler Egnach nur aus einer Handvoll Bauernhöfe an der heutigen Schulstrasse. Von grosser Bedeutung aber war der Platz am See beim Schloss Luxburg. An einem natürlichen Hafen bei der Aach wurden über Jahrhunderte die Lädinen (Segellastschiffe) mit landwirtschaftlichen Produkten wie Getreide, Wein, Holz, Obst be- und entladen. Es existierten keine Landstrassen, darum wurde der gesamte Handel über den See abgewickelt.

Der schnelle Aufstieg zum Dorf

Der Aufschwung zum heutigen Dorf begann mit dem Bau der Nordostbahn. 1869 wurde die Linie Romanshorn – Rorschach eröffnet, und die Egnacher erhielten eine eigene Station. Bald stand auch schon ein Gasthaus, „der Sternen“, gegenüber und wurde zum beliebten Ziel von Wochenendvergnügungen. Man reiste aus Arbon und Romanshorn an, liess die Kugeln der Kegelbahn rollen oder schwang das Tanzbein zum Ärger des Gemeinderats, der dies immer wieder verbot. Bald eröffnete auch das Hotel Bahnhof gegenüber des Bahnhofs seine Türen.

Betriebe siedeln sich an

1872 wurde ein Grossbetrieb, die Milchkondensationsfabrik Alpina, von ein paar ergrauten Herren des Dorfes gebaut. Das Einsieden von Milch zur Haltbarmachung, wichtig fürs Militär, war ein grosses Novum. Das nötige Bauland hatten sie dem Besitzer der Luxburg abgekauft, welcher auch Teilhaber war. Der Absatz von Kondensmilch, war allerdings schwierig in unserem Land, wo jedermann stets frische Milch kaufen konnte. Wegen Misswirtschaft geriet die Firma nach wenigen Jahren in Konkurs und wurde von der späteren Nestlé in Cham aufgekauft. Vor wenigen Jahren sind die letzten Gebäude abgebrochen worden, und heute stehen dort die Lagerhallen und Sortieranlagen für Früchte der Tobi.

Mosterei Egnach, um 1908

All dies brachte dem Weiler Egnach viele neue Einwohner; er wuchs rasant zu einem Dorf heran, und 1881 musste eine eigene Schulgemeinde gegründet werden mit dem Bau eines eigenen Schulhauses. Bisher waren die wenigen Schüler nach Wilen zur Schule gegangen. Den grossen Durchbruch aber brachte 1900 die Eröffnung der Mosterei Egnach, der ersten und grössten Mostereigenossenschaft im Kanton. Sie wurde zum Inbegriff des Namens Egnach während des letzten Jahrhunderts.

Weitere Gewerbe und Unternehmungen

Töpferei, Wagnerei, Küferei und eine Schusterwerkstatt, dazu Albert Züllig mit Ferggerei und Scherlerei, der bis zu 60 Heimsticker beschäftigte.

  • 1865 wurde nördlich des heutigen SOB Bahnhofs eine Käserei eröffnet, und der spätere Besitzer Uetz erbaute  beim Kreisel eine grosse, moderne Käserei mit Schweinestallungen.
  • 1897 die Spenglerei Ackermann
  • 1901 baute Jean Züllig ein grosses Unternehmen mit Holzbearbeitung auf. Am See bei der Luxburg entstand eigens ein Hafen für ankommende Holzlieferungen, und sogar die Gemeinde mietete sich dort ein, um den Kies aus Deutschland in grossen Haufen für den boomenden Strassenbau zu stapeln. Das Zeitalter des Autos begann.
  • 1916 die Kistenfabrik
  • 1964 gründet Ernst Fischer die Verzinkerei Egnach AG
  • 1970 war die Gründung der „Stiftung Egnach“, welche eine geschützte Werkstatt mit Wohnheim errichtete.

Wirtschaften

Auch an Wirtschaften fehlte es nicht im Dorf. Fürs Durstlöschen luden ein die Wirtschaft Straub mit Bäckerei (Bahnhofstrasse 8), die Wirtschaft „zum grünen Baum“ (Luxburgstrasse 1), die Wirtschaft von Moritz Stäheli, später „Freihof“ (Seeweg14), die Schifflände Luxburg (Luxburgstrasse 21) und das Restaurant Seethal (Romanshornerstrasse 98). Übernachten konnte man im „Sternen“ (Bahnhofstrasse 2) oder im „Hotel Bahnhof“ (Bahnhofstrasse 1). Einer der jüngeren Betriebe, der Egnacherhof (Romanshornerstrasse 114), ist bereits seit längerer Zeit geschlossen. Heute, im Jahre 2023 existieren noch der Sternen (Bahnhofstrasse 2) und das Bistro Zeitperle an der Bahnhofstrasse 8, wo früher die Wirtschaft Straub zu finden war.

Sprung in die Neuzeit

1872 erhielt auch Egnach ein eigenes Postbureau an der Ecke Luxburgstrasse-Wilerstrasse, und konnte damit Neukirch entlasten, welches schon lange ein Postbureau und eine Telegraphenstation betrieb. 1896 schloss das Dorf Egnach infolge Wassermangels einen Vertrag mit Romanshorn zur Lieferung von Trinkwasser aus dem Bodensee. Jetzt floss in den Häusern des Dorfes überall das Wasser aus den Hahnen – ein Segen für die Hausfrauen, aber auch für die Betriebe. Gleichzeitig wurde eine Hydrantenkorporation gegründet, womit für die Feuerwehr Schluss war mit der Entnahme aus den verschlammten Feuerweihern, und sie endlich effizient löschen konnte. Die nächste grosse Neuerung war die Einführung der Elektrizität. 1904 versorgten die Gebrüder Herzog die Dörfer Neukirch und Egnach sowie die Mosterei mit Gleichstrom. Sie genügte aber bald nicht mehr, und die Egnacher gründeten 1917 eine Elektrakorporation und schlossen einen Vertrag mit dem Elektrizitätswerk des Kts. Thurgau, dem EKT. Fortan wurde 220V/380V Wechselstrom geliefert. Bald erfolgte auch eine Versorgung mit Gas aus Romanshorn.

Einwohnerzahlen Egnach
1900 1950 2000 2020
288 320 1687 2060

Rolf Blust auf Gristen

alte Ansichtskarten von Neukirch

Postkartensammlung

Bilder / Fotos

Literatur

Protokolle Gemeinderat Egnach

Archiv Blust

Protokolle Schulgemeinde Egnach

Egon Bruderer: Das Egnach und seine Bewohner

Einzelnachweis

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