Abtrennung Frasnacht

Bis im Jahre 1857 ist das Egnach mit 3'344 Einwohnern die grösste Gemeinde im Kanton Thurgau. Sie ist nach der eidgenössischen Kriegsordnung von 1619 aufgeteilt in 13 Rotten. Diese sind über Jahrhunderte nebst der Truppenordnung verantwortlich für den Strassenbau und die Tag- bzw. Nachtwachen in ihrem Gebiet.
Abtrennung Frasnacht 1857
Als 1727 aber im Zentrum der Gemeinde eine Kirche erbaut wird, ist der Weg für die Rotten Frasnacht und Feilen weiter als zur Kirche in Arbon. Sie sondern sich ab und blieben pfarrgenössig bei Arbon. Sie sind weitgehend selbständig, besitzen eine eigene Schule, Feuerspritze und eine Armenversorgung. Mehr und mehr empfinden sie die Zugehörigkeit zum übrigen Ausser-Egnach als eine Last, müssen sie sich doch vor allem an den teuren Strassenbauten beteiligen, von denen sie gar nichts profitieren.
1851 ergreifen führende Männer wie Johann Jacob Straub, alt Bezirksrichter, Johann Georg Möhl, Gemeinderat von Stachen, Jacob Schär, Metzger von Feilen, Jacob Straub, Pfleger vom Scheidweg und Abraham Stadelmann aus Feilen zu einem Komitee zusammen mit dem Ziel, die Trennung von Ausser-Egnach zu vollziehen.
Petition an den Regierungrat
Sie wenden sich 1852 mit einer Petition an den Regierungsrat, und der wiederum gelangt an den Egnacher Gemeinderat um Stellungnahme. Dieser aber hat von all diesen Plänen keine Ahnung. Etwas irritiert lädt Gemeindeammann Straub im Februar zu einer Bürgerversammlung in die evangelische Kirche ein, um das Thema zur Diskussion zu stellen. Grundsätzlich ist er nicht abgeneigt von einer Abtrennung. Als aber die grosse Diskussion beginnt, stellt sich heraus, dass viele Bürger der beiden Rotten noch gar keine Ahnung von dieser Petition haben. Es ist ein Alleingang dieser Herren. Die Stimmung kippt, und es zeigt sich, dass viele diese Trennung gar nicht wollen. Die Versammlung endet mit dem Beschluss, dass das Ganze ungesetzlich ist. Man geht auseinander. Anderthalb Jahre geschieht offiziell gar nichts.
Das Hin und Her
Doch dann versammelt sich am 8. Juni 1855 die Hälfte der Bürger von Frasnacht und Feilen unter Gemeinderat Möhl. Es ist nicht klar, ob die Gegner, also die andere Hälfte nicht eingeladen wurde. Es wird beschlossen, eine Kommission solle eine Trennungs- Petition an den Regierungsrat verfassen. Dieser will jedoch keine neue Munizipalgemeinde, gestattet aber die Bildung einer Ortsgemeinde. Im Januar 1856 geht das Gesuch an den Regierungsrat um Einverleibung als selbständige Ortsgemeinde in die Munizipale Arbon. Doch jetzt melden sich die Gegner und wenden sich ebenfalls an Frauenfeld. Darauf werden sie schärfstens angegriffen: „Wir hätten gewünscht, dass jene Ängstlichen, welche mit Leib und Seele an den egnachischen Schollen ihrer Väter und Vorväter festhalten wollen und nur von diesem Paradiese aus selig werden zu können wähnen, an unserer Versammlung zu allgemeiner Erbauung damit zu Tage getreten wären.“ Die Befürworter werfen ihnen vor, sie würden nach der Pfeife des Notars Kreis tanzen: „Das gegen unsere Anstrebungen erhobene Zetergeschrei ist ein blinder Lärm, der dem Herrn Kreis seinen Notariatsbezirk unverkümmert erhalten soll; hier allein liegt also der Hase im Pfeffer!“ Zur grossen Überraschung lesen die Egnacher am 28. Mai ein Dekret des Regierungsrates in der Zeitung über die Zuteilung der beiden Rotten in die Munizipalgemeinde Arbon. Es folgt Ende Jahr eine Bürgerversammlung, in der klar wird, dass nur eine der beiden Rotten sich ablösen will.
Der Grossrat entscheidet
Mittlerweile hat aber der Grossrat genug von den nicht enden wollenden Querelen im Egnach und findet, dass die Gemeinde mit 3'344 Seelen doch ein bisschen sehr gross sei im Vergleich zu anderen Gemeinden des Kantons. Er verabschiedet am 18. März 1857 ein Dekret mit der Abtrennung und Bildung einer neuen Ortsgemeinde „Frasnacht“. Im April gibt das Bezirksamt die Anweisung, die Grenzausscheidung vorzunehmen. Als Vermesser amtet Georg Züllig aus Neukirch. Damit verliert die Gemeinde einen Teil ihrer Grundfläche, und die Bevölkerung sinkt. Egnach ist nicht mehr die grösste Gemeinde des Kantons. Die neue Ortsgemeinde überlebt 140 Jahre. Dann verliert sie ihre Selbständigkeit und wird ein Teil von Arbon. Am 18. Dezember 1997 hält Ortsvorsteher Straub die letzte Gemeindeversammlung ab.
Das Egnach erhält jedoch wieder Zuwachs. Die Bewohner von Lengwil und Ballen stellen am 9. Okt. 1858 das Gesuch um Aufnahme in die Gemeinde Egnach. Sie gehören zur Gemeinde Roggwil und sind räumlich weit getrennt davon. Für die Schüler ist es kaum möglich, nach Roggwil in die Schule zu gehen. Im November beschliessen die Egnacher, die beiden Weiler aufzunehmen und in die Rotte Kügeliswinden zu integrieren. So gelangt das Egnach endgültig zu seiner heutigen Form und Grösse.
Rolf Blust auf Gristen
Bilder/Fotos
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Rotten im Egnach
Literatur
Evangelisches Kirchenarchiv, F1, grosses Dossier
Gemeindearchiv Neukirch
A.Schoop: Geschichte des Thurgaus 1994
Trennungsdekret
Einzelnachweis
Loki Egnach, 13. Oktober 2023